Sonja Fröse

Fachautorin für Pflege

Medizinische Rehabilitationsmaßnahme für pflegende Angehörige noch wenig bekannt

Medizinische Rehabilitationsmaßnahme für pflegende Angehörige noch wenig bekannt

„Ganz viele pflegende Angehörige wissen von dem Angebot gar nichts!“ sage Monika B. zu mir. „Ich konnte völlig abschalten – nicht ans einkaufen und den Haushalt denken.“ Seit fast 10 Jahren pflegt sie ihren Mann, der nach einem Schlaganfall geheingeschränkt ist und tagesformabhängig nur einzelne Worte oder kurze Sätze sprechen kann, manchmal nur unverständliche Laute von sich gibt. Das belastet beide, wenn die Worte einfach nicht rauskommen wollen. Zudem liegt er tagsüber viel, weil er schnell erschöpft ist und bei zahlreichen Alltagshandlungen Unterstützung braucht. Die Ehefrau muss deshalb alle anfallenden Tätigkeiten übernehmen. Zur mentalen Belastung kommt die körperliche Belastung dazu.

Einerseits sind die beiden ein eingespieltes Team, andererseits macht die ständige Verantwortung und alleinige Übernahme der alltäglich anfallenden Arbeiten Monika krank. „Krank sein kann ich mir nicht erlauben.“ Sie ist eine Macherin und Kümmerin, immer aktiv und kann schlecht stillsitzen. Zusammen mit ihrem Mann befand sie sich im Frühjahr 2022 zur dreiwöchigen Reha für pflegende Angehörige im Landhaus Fernblick (Vorsorgeklinik für pflegende Angehörige, Wernsdorfer Str. 44, 59955 Winterberg), im Sauerland und hat davon berichtet.

Es war ein langer Weg bis die Reha endlich angetreten werden konnte, denn weder Monika als Pflegeperson noch ihr Ehemann wollten sich während der Reha voneinander trennen. Die meisten Reha-Einrichtungen gehen aber von einem besseren Erfolg aus, wenn der/die Pflegebedürftige anderweitig versorgt wird. Im Landhaus Fernblick ist dies nicht der Fall und das sei einzigartig in Deutschland wird mir freudig erklärt.

Als vorsorgliche Anwendungen für die Pflegepersonen finden mehrfach täglich unterschiedliche Aktivitäten statt, z. B. Gruppen-Spaziergänge, Wassergymnastik und Qi Gong, progressive Muskelentspannung oder Rückenschule. Die körperlichen Anforderungen sollen das Wohlempfinden steigern und die Selbstwahrnehmung erhöhen, denn viele pflegende Angehörige achten gar nicht mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse. Physiotherapeutische Anwendungen hat Monika B. ebenfalls erhalten. Man hatte ihr im Vorfeld geraten, sich einer Hüftgelenks-Operation zu unterziehen, da sie wiederholt über Schmerzen beim Gehen klagte. Dank der Anwendungen waren die Schmerzen zeitweise vorbei – nun, da die Reha-Maßnahme ebenfalls schon wieder einige Wochen um ist, sind die Schmerzen leider wieder da. Sie möchte gerne weiter physiotherapeutische Anwendungen erhalten, denn eine Operation möchte sie wegen der Pflege ihres Mannes derzeit nicht.

Versorgung der Pflegebedürftigen während der Reha

In der Reha-Klinik tauschen sich die Pflegepersonen gegenseitig aus, nehmen ihre Mahlzeiten gemeinsam ein und erledigen ihre Anwendungen oder Gruppenaktivitäten. Währenddessen stehen von Montag bis Freitag für die pflegebedürftigen Begleitpersonen (also die Pflegebedürftigen) eine Tagespflege zur Verfügung. Dort werden sie circa zwischen 8 und 16 Uhr betreut und versorgt.

In der Nähe der Reha-Klinik gibt es zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten und einen Bäcker, die von vielen Urlaubern und Reha-Gästen gerne besucht wurden. Es gäbe viele Holländer, die im Ort Urlaub machen würden. So sind also nicht nur Reha-Teilnehmer im Ort. Für die knappe Freizeit außerhalb der Anwendungen besteht die Möglichkeit, z. B. mit einer Ausflugsbahn zu einer Sommerrodelbahn am Winterberg zu fahren.

Antragstellung zur Reha für pflegende Angehörige

Die Kosten einer Reha für pflegende Angehörige übernimmt entweder die Krankenkasse oder Rentenversicherung, ebenso anteilige Fahrt-, Verpflegungs- und Reisekosten. Lediglich die Zuzahlungsgebühr von täglich 10 Euro ist zu zahlen (bis zu 28 Kalendertage pro Jahr), falls man nicht bereits zuzahlungsbefreit ist.

Häufig kommt der Vorschlag für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für pflegende Angehörige entweder von Pflegeberater*innen oder vom zuständigen Arzt selbst. Voraussetzungen sind bereits vorhandene Symptome aufgrund der Pflege oder drohende Gesundheitseinschränkungen oder gar eigene Pflegebedürftigkeit. Häufige Symptome sind Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Nervosität, Schmerzen (vorallem Rückenschmerzen), depressive Verstimmungen oder Magenprobleme. Das Assessment-Instrument Häusliche Pflege-Skala kann helfen, eigene Bedarfe zu erkennen. Denn auch das ist bekannt: Pflegende Angehörige erkennen die eigene Belastung häufig nicht.

Der Reha-Antrag wird meist zusammen mit dem Hausarzt ausgefüllt, das Antragsformular muss man allerdings häufig erst bei der Krankenkasse beantragen. Die stationäre Reha-Maßnahme dauert in der Regel drei Wochen und kann bei Bedarf verlängert werden.  

 

 

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